Linde - Botschafterin der Liebe

Immer, wenn ich mit Naturfreunden bei meinen Baum-Führungen vor Linden stehe, kommt eine besondere Stimmung auf. Dass ein Baum Tausende von Blättern in Form von Herzen trägt ist einfach etwas Besonderes!

 

Ihre königliche Erscheinung und ihr sanftes Gemüt lassen den Besuch einer Linde zu einem besonderen Erlebnis werden. Sanftes Gemüt? Wenn Sie sich nun wundern, warum ich bei einem Baum ein menschliches Attribut verwende, so hat dies einen speziellen Grund.

Spätestens seit den Büchern von Clemens G. Array, Maximilian Moser und Erwin Thoma sind Menschen, welche den direkten Kontakt zu Bäumen suchen und hierbei wundervolle und heilsame Erfahrungen machen, nicht mehr nur ›esoterische Spinner‹, sondern Wissende, welche bewusst die Unterstützung und Heilung in der Natur suchen.

 

Interessanterweise wussten unsere Vorfahren bereits um die Heilwirkung der Bäume und nutzen Blätter, Blüten, Samen, Rinde und Harze für allerlei Anwendungen. Bei der Linde finden wir eine ganze Palette an Möglichkeiten, wie sie - vor allem durch ihre Blüten - unseren Körper unterstützen kann: Erkältungen, Appetitlosigkeit, Sodbrennen, Darm- und Blasenentzündungen, Rheuma, Bluthochdruck, Ödeme, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, um nur einige zu nennen.

Meine Großmutter behalf sich auf ihre Art und Weise, wenn ihre Augen entzündet oder einfach müde waren: sie nahm ein Tuch, welches mit Lindenblütentee getränkt war, und legte es sich auf die Augen. Nach einer halben Stunde war sie erfrischt und mit klarem Blick wieder auf den Beinen.

 

Dass die Linde auch unter den verschiedenen Baumarten eine besondere Stellung einnimmt zeigt sich ebenfalls in mannigfacher Weise: sie kann bis zu 1000 Jahre alt werden, denn sie kann neue Innenwurzeln und somit eine neue, junge Krone bilden. Die Linde verjüngt sich also von innen heraus.

Wenn früher in einer Familie ein Stammhalter geboren wurde, war es erstaunlicherweise nicht die 'männliche' Eiche, welche angepflanzt wurde, sondern die 'weibliche' Linde. Denn die Linde symbolisierte die Mutter Erde, die Weiblichkeit und den Ursprung allen Seins.

 

Die Germanen verehrten besonders stattliche, alte Lindenbäume in Verbindung mit ihrer Göttin Freya, die Göttin der Liebe und des Glücks. Diese Freyalinden wurden im Zuge der Christianisierung der Mutter Gottes, Maria, zugesprochen. So wurde aus den ursprünglichen Freyalinden die Marienlinden, welche im Volksmund oft auch heute noch so genannt werden.

 

Und wenn man in noch frühere Zeit zurück blickt, kann man der Linde noch in anderer Form begegnen. So fand man an steinzeitlichen Pfahlbauten Lindenbast, welcher zum Hausbau genutzt wurde. Die Rinde wurde im frühen Sommer geschält, die weiche Innenseite abgetrennt und zu Büscheln gebunden. Dann legte man diese ins Wasser und wartete, bis sich der reine Bast ablöste. Dieser wurde getrocknet und dann weiterverarbeitet. Selbst Kleider wurden daraus hergestellt.

Man findet das Wort Bast übrigens heute noch im täglichen Sprachgebrauch, nämlich in abgewandelter Form: ›Basteln‹, was früher vor allem im Zusammenhang mit ›schnüren‹ bzw. ›binden‹ verwendet wurde.

 

Heutezutage findet sich die Linde oft in Straßennamen wie ›Unter den Linden‹ und auch in Ortsnamen wieder: Lindau oder Lindenau. Und auch auf dem Tisch als Salatbeigabe ist sie immer öfter zu sehen, denn ihre Blätter haben einen sehr feinen Geschmack, und sind natürlich vor allem im Frühling eine wahre Delikatesse. Wie heißt es so schön: Liebe geht durch den Magen. Auf welchen Baum kann dies besser zutreffen als auf die Botschafterin der Liebe?!