Die würzigen Heilpflanzen Hildegards

Was sind denn eigentlich Gewürze? Gewürze sind Heilpflanzen, von denen ein bestimmter Teil der Pflanze verwendet wird, weil in diesem der Geruch bzw. Geschmack am stärksten, am ausgeprägtesten ist.

Kulturgeschichtlich gesehen gelten vor allem exotische Würzpflanzen, die eben in Europa aufgrund des Klimas nicht kultiviert werden konnten, als Gewürze.

Letztendlich kann man sagen, dass die Definition zwischen Gewürz und Heilpflanze fließend ist, genauso wie man Nutz- und Heilpflanze oft nicht genau unterscheiden kann.

 

Tatsächlich beginnt die Geschichte des Würzens in Europa bereits in der Steinzeit. Ackerbau und Viehzucht wurde betrieben, und hier finden sich die ersten Funde von regionalen Gewürzen, dem Wiesenkümmel, ein Doldenblütler. Er ist einer der ältesten Gewürze in Europa.

Die ersten ausländischen Gewürze kamen durch Niederschriften von Gelehrten und dem damit einsetzenden Handel nach Europa.

 

Zu Hildegards Zeit im 12. Jd. gab es natürlich bereits viele heimische Gewürze wie Fenchel, Beifuß, Bohnenkraut, Liebstöckel, Kümmel, Liebstöckel, Wacholder, Sellerie, Meerettich.

Durch die Römer waren weitere Pflanzen bzw. Gewürze dazugekommen: Petersilie, Knoblauch, Minze, Basilikum, Rosmarin, Thymian, Salbei, Zitronenmelisse und der Bertram.

Durch die Reformen Karls des Großen im 9. Jhdt. (Capitulare de villis - Landgüterverordnung) veränderte sich das Klosterleben erheblich. Nun wurden gezielt Heilpflanzen in eigenen Gärten angebaut und Mönche in die Grundlagen der Medizin eingewiesen.

 

Durch die Studien der Mönche kam das Bewusstsein für neue Heilpflanzen bzw. Gewürze, die in alten Schriften der Griechen und Araber genannt wurden, wie Ingwer, Galgant (ein Verwandter des Ingwer), Kampfer, Kardamom, Koriander, Muskat, Gewürznelke, Pfeffer, Safran und Zimt. Da die Klöster über finanzielle Mittel verfügten konnten sie diese Gewürze einkaufen und in ihren Klosterapotheken verwenden.

 

Hildegard hatte deshalb eine große Auswahl an heimischen, eingebürgerten und importierten Gewürzen und verwendete diese entsprechend: sowohl als Würze aber vor allem wegen ihrer Heilwirkung oder auch als Konservierungsmittel.

 

In der Klosterheilkunde gab es bevorzugte Verarbeitungsformen dieser Gewürzpflanzen - sehr gängig waren u. a. die Pflanzenteile zum Trinken in Wasser zu erhitzen, was Dekokt oder Abkochung genannt wurde. Dieses Dekokt konnte man auch als Bad oder als Inhalation verwenden. Genau genommen ist ein Dekokt das, was wir heute als Tee kennen. Die Bezeichnung Tee stammt aus dem Chinesischen (Teepflanze) und fand im 16. Jh. Einzug in unsere Sprache. Mit Wasser allgemein war man sehr vorsichtig und verwendete es bevorzugt erhitzt, da es verunreinigt sein konnte und Krankheiten hervorrief.

 

Man hat aus frischen Pflanzen Saft gepresst - entweder zur direkten Einnahme oder zum Vermischen des Pflanzensafts mit Wein, Essig, Milch, Honig oder Verjus - der Saft von unreifen Trauben. Salben sowie warme Breiumschläge waren ebenfalls eine oft verwendete Form der Heilanwendung.

Gewürzpflanzen wurden aufgrund ihres Geschmacks bevorzugt getrocknet und pulverisiert in Speisen verarbeitet oder über das Essen gestreut - oder man löste das Pulver in Wein oder Met auf (Met = Honigwein - alkoholisches Getränk aus Wasser und Honig).

 

Die als Gewürze bekannten Pflanzen wurden tatsächlich meist in der Ernährung verwendet. Eine der von Hildegard bevorzugten Gewürzpflanzen war der Bertram (siehe Foto). Sein botanischer Name 'pyrethrum - pyr' stammt aus dem Griechischen und bedeutet Feuer, denn seine Wurzel hat einen scharfen Geschmack. 

Die Wurzel vom Bertram ist zugleich würzig und scharf. Leider finden man in den Aufzeichnungen von Hildegard keine konkreten Hinweise auf die Verarbeitungsform des Bertram oder eine Rezeptur - das ist bei Hildegard nicht ungewöhnlich - als wolle sie uns die Möglichkeit geben, die bevorzugte Verwendungsart selbst herauszufinden.