Ein genüssliches Heilkraut, die Wilde Möhre

Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute wächst so nah… Das dachten sich auch schon die Germanen, die Griechen und die Römer. Denn diese wussten um das wertvolle Kraut, die Wilde Möhre, und nutzten sie als Lebens- und Heilmittel.

 

Heute ist uns vor allem die daraus entwachsene gelb-orange farbige Möhre bekannt, die ihre Farbe von dem in reichlichem Maße vorhandene Karotin erhält. Die Wilde Möhre hingegen besitzt eine blässlich-weiße Wurzel, die zwar weniger Karotin aufweist, dafür aber in hohem Maße Vitamin A, C und B besitzt.

 

Alles an diesem Kraut ist gesund und auch heilpflanzlich verwertbar. Im antiken Griechenland wurde die Wirkung der Samen als menstruationsfördernd, lindernd bei Harnstau, unterstützend bei Wassersucht und Brustfellentzündung, auch vorbeugend gegen Bisse und Stiche beschrieben. Die Wurzel galt als harntreibend und aphrodisierend.

In Europa hat die Möhre eine ganz andere Geschichte geschrieben:

Im 8. Jhdt. hat Karl der Große in seiner Landgüterverordnung u. a. knapp 90 Pflanzen und Heilkräuter aufgeführt, welche als zur Ernährung und als medizinische Grundversorgung der Bevölkerung angebaut werden sollten. Hier findet sich die Möhre, Carvitas genannt, in der Liste der Pflanzen, welche sowohl Heilkräuter als auch Gemüsepflanzen und Früchte enthält.

 

Im Lorscher Arzneibuch, welches im gleichen Zeitraum entstanden ist, wird die Möhre in verschiedenen Rezepten erwähnt, so z. B. als Mittel gegen Nierenschmerzen. Hier wurde die Möhre zusammen mit Möhrensamen und Alantblättern in Honigwasser gekocht und getrunken.

300 Jahre später liest man in Hildegard von Bingens Aufschrieben, dass 'Morkrut', die Möhre, eine Erfrischung für den Menschen sei. Sie schade ihm nicht, aber sie nütze auch nicht, jedoch fülle sie den Magen.

In den darauffolgenden Jahrhunderten fand die Möhre mehr und mehr Einzug in die Küche, wurde auch von dem ein oder anderen Künstler gemalt und bezüglich ihres vielfältigen kulinarischen Verwendung in der Küche gelobt.

Fernreisende trugen dazu bei, dass aus den verschiedenen Regionen Europas immer wieder Möhrensamen getauscht wurden und neue Kreuzungen entstanden. Man geht heute davon aus, dass es vor über 300 Jahren bereits weiße, rote, violett oder fast schwarze Möhren gegeben hat.

 

Pfarrer Künzle hat Mitte des 19. Jhdt. die Möhre bezüglich ihrer Heilwirkung wieder ins Bewusstsein der Menschen zurückgeholt. Er nutzte den Absud des Krautes bei Frostbeulen, Wunden und als Gurgelwasser bei Zahnweh, Mundfäule und Mundgeschwüren. Zudem verwendete er geraspelte Wurzeln äußerlich bei Furunkeln, Brandwunden und zur Milderung von Krebs.

Maria Treben hat dann 100 Jahre später Karotten bei Leberleiden, Wurmbefall und Diabetes empfohlen.

 

Und heute? Man liest von den vielen gesunden Inhaltsstoffen der Möhre, die gerade in der Winterzeit eine gute Basis gegen Erkältungskrankheiten bieten. Mütter schätzen die Möhre, da so manch kleiner Kostverächter zumindest diesem Gemüse aufgeschlossen gegenüber steht. Viele Tiere freuen sich ebenfalls über einen Möhrengruß. Und ich habe auch das Grün schon in so manchem Smoothie oder Saft verarbeitet; oder die Blüten als Deko für Salate verwendet.

Was Karl der Große heute wohl zu dieser Entwicklung sagen würde? Oder Hildegard von Bingen?

 

Wie auch immer man die Möhre für sich entdeckt und nutzt: Sie begleitet uns schon eine lange Zeit unseres Daseins. Und zu recht kann man von ihr sagen: Sie  sei ein wahrhaftiger Segen, danke!